Marienkapelle

Ganz versteckt und im Verborgenen am südlichen Ende des Stadthügels, unmittelbar außerhalb der Stadtmauer gelegen, steht sie da, die Marienkapelle. Dabei wird sie oft im Gegensatz zu ihrer großen Schwester, der Pfarrkirche allzu leicht übersehen. Es handelt sich nicht nur um das älteste Gebäude der Stadt, sondern wohl auch um eines der ältesten Kirchen in ganz Nordbayern. Der östliche Anbau geht auf das 12. Jahrhundert zurück, und enthielt den damaligen Altarraum. Andere Quellen weißen darauf hin, das dort schon vor über 1000 Jahren eine kleine Kapelle existiert hat.  Heinrich von Waldenfels stiftete im Jahre 1352 das Frühmeßbenefizium auf diese Kapelle, wodurch sie ihren damaligen Namen „Frühmeßkapelle“ erhielt. Diese kleinere Vorgängerkirche, von der nur noch der ehemalige Altarraum erhalten ist, war der Hl. Elisabeth geweiht; so heißt es in einem Kloster Langheimer Kopialbuch von 1436. Die Familie derer von Waldenfels musste sich nicht nur um die Versorgung des Priester, des so genanten Frühmeßbenefiziaten kümmern, sondern ihm auch ein Wohnhaus zur Verfügung stellen. Dieses befand sich südlich der heutigen Knollenstraße, die damals Frühmessgasse hieß. Später wurde die Kapelle den 14 Nothelfern geweiht. Im Jahr 1613 ließ Benefiziat Felix Götz die Kapelle renovieren. Wohl ihm zu Ehren wurde sie nun dem Hl. Felix und der Hl. Gottesmutter Maria geweiht. Pfarrer Johann Jakob Gerhard der von 1670 – 1686 die Pfarrei Stadtsteinach versorgte und inzwischen Pfarrer von Weismein wurde, erhielt im Februar 1679 von Christoph Philipp von Waldenfels das Frühmeßbenefizium und behielt es bis zu einem Tode am 25. Juli 1697. Pfarrer Johann Jakob Gerhard wurde 1693 zum Dechanten des Bezirks Kronach gewählt.

Er ist in der Pfarrkirche zu Kronach, links vom Hochaltar bestattet. Im Jahre 1690 ließ er die hiesige Frühmeßkapelle erweitern und in ihren jetzigen Ausmaßen erbauen. Dabei wurde die Kapelle, deren Altar ursprünglich im Osten stand, nach Süden ausgerichtet. In der ehemaligen Apsis befindet sich heute noch der gemauerte Altar der vorherigen Kirche.

Über dem Eingansportal ließ Gerhard folgende Inschrift anbringen: Dei hominis Matri dolorosae, illibatae semper virgini, refugio peccatorum, consolatrici afflictorum ,maximae suae patrone P.D.D.C. eiusdem indignissimus Capellanus Joannes Jacobus Gerhard Anno MDCLXXXX. ( Der Schmerhaften Gottesmutter, der allzeit unversehrten Jungfrau, der Zuflucht der Sünder, Der Trösterin der Betrübten, seiner höchsten Patronin ihr unwürdigster Kaplan J. J. Gerhard Anno 1690). Er ließ ebenfalls eine Glocke gießen auf der folgende Inschrift stand: A. R. D. Johann Jakob Gerhard Decanus et proparochus in Cronach Primissarius in Stadtsteinach. Johann Rota hat mich gegossen in Vorcheimb (Forchheim) 1698. Seit dem ist die Kapelle der Hl. Gottesmutter geweiht und wird im Volksmund Marienkapelle genannt.

Bis zum Jahre 1754 befand sich in der Marienkapelle ein „Mariä-Schmerzen-Bild“ das sehr verehrt wurde. Man legte Opfer aus Wachs, Hufeisen und Ketten an ihm nieder. Selbiges Bild wurde später in die Pfarrkirche auf den linken Nebenaltar, dem Apostelaltar verbracht und dort weiterhin verehrt. Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal tadelte bei einer Visitation diese Praxis und erteilte die Weisung; die Opfergaben nach und nach zu entfernen. Noch 55 Jahre später stand das Marienbild dort, bevor es aus der Kirche verschwand.

Im Jahre 1772 wurde aus der alten Pfarrkirche der Holzaufbau des Hochaltares ausgebaut und in die Marienkapelle verbracht. Grund dafür war der Neubau der Pfarrkirche, in der ein neuer Hochaltar geschaffen werden sollte. Die Figurengruppe über dem Altar zeigt die Marienkrönung. Darunter zierte eine Kreuzigungsgruppe das Altarblatt, das jetzt in der Pfarrkirche gegenüber der Kanzel angebracht ist. Die Hl. Maria stand links bei der korinthischen Säule des Altarraufbaues und der Hl. Johannes auf der anderen Seite. Im Jahr 1920 wurden  diese in die Pfarrkirche gebracht und das Altarblatt durch ein Bildnis der Hl. Maria Magdalena ersetzt. Dieses fertigte der Stadtsteinacher Kunstprofessor Eduard Schneider. Seit früher Zeit sind zur Marienkapelle, besonders zum Festtag des Hl. Markus am 25. April, Bittprozessionen belegt. Auch in den Bitttagen fanden Prozessionen statt.  Um die Kapelle wurde oftmals von Pferdebesitzern an gewissen Tagen mehrmals herumgeritten, um sie und ihre Tiere vor allem Unheil zu bewahren. Jedoch rutschte im Laufe der Jahre immer mehr vom südlichen Hang ab, weswegen ein Umreiten nicht mehr möglich war. Bis ins 19. Jahrhundert wurde der Rasenplatz um die Kapelle als Begräbnisstätte für ungetaufte Kinder genutzt. Als man 1821 ein Schulhaus dort errichten wollte, wurden die Pläne schnell wieder aufgegeben, da die Stadtsteinacher auf ihre lieb gewonnenen Gottesdienste und Prozessionen nicht verzichten wollten.

Der Friedhof war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben. Wegen Baufälligkeit musste die Marienkapelle 1830 geschlossen werden. Dem Benefiziaten Friedrich Josef Conradi (1836 -1878 Benefiziat) ist es zu verdanken, dass die Kapelle 1840 wieder hergerichtet wurde. Er engagierte sich sehr um die Kapelle, vor allem auch mit persönlichen Opfern. Er ließ auch das jetzt noch stehende Benefiziatenhaus 1851 erbauen. Den Rasenplatz um die Marienkapelle umzäunte er und baute sich dort ein Gartenhäuschen. Zwischen  dem damaligen Stadtpfarrer Dr. Conrad Mahr (1834 – 1846 Stadtpfarrer), der sehr leutselig war, und Conradi der bisweilen sehr schroff auftrat, kam es zu einem Besitzstreit um die Marienkapelle. Mahr und seine Kirchenverwaltung warfen Conradi vor, er reiße alle Gottesdienste in der Marienkapelle an sich, ohne einen Anteil an den Messtipentien an die Kirchenverwaltung abzugeben. Ihnen missfiel, dass er den Garten anlegen ließ, um im Sommer sog. Kränzchen, an dem auch Personen des anderen Geschlechts teilnahmen, stattfinden zu lassen. Conradis Haushälterin empfing auch die Schulkinder mit Rippenstößen, um sie zu zwingen, den schmalen Weg der zur Kapelle führte, einzuhalten. Das Stadtsteinacher Landgericht entschied dann, dass der Benefiziat die Messstipendien an das Pfarramt abgeben musste. Er musste auch den Zugang zur Kapelle und den Rasenplatz für Prozessionen freihalten.

Nach dem Kirchenbrand 1903 diente die Marienkapelle, neben der Friedhofkapelle, als Ersatz für die Pfarrkirche. In ihr fanden nun vermehrt Gottesdienste statt. Unter Pfarrer Dr. Ferdinand Klopf (1936 – 1951 Stadtpfarrer) verfiel die Marienkapelle zusehends, da er es für wichtiger erachtetet in die Pfarrkirche Material und Arbeitskraft zu geben.

Nach dem 2. Weltkrieg diente die Kapelle als Lagerraum für Möbel ausgebombter Familien und war nicht mehr nutzbar. Sein Nachfolger Pfarrer Alois Kappauf (1951- 1968 Stadtpfarrer) bewahrte 1952 die Kapelle vor dem erneuten Einsturz. Er ließ unter anderem eine Stützmauer zum Mühlbach errichten, da die romanische Apsis abzurutschen drohte. Sophie Schübel stiftete 1961 eine Glocke als Ersatz für die im Weltkrieg abgelieferte. Pfarrer Wolfram Michel (1971 – 1996 Stadtpfarrer) veranlasste 1974 eine Erneuerung des Außenputzes. Ein Jahr später wurde die Kapelle innen renoviert. Dabei wurden unter den vielen Farbschichten einige Fresken und Bilder gefunden. Eine Restaurierung war allerdings nicht möglich, da die säurehaltigen Farben die Kunstwerke schon sehr angegriffen hatten und eine Freilegung sich nicht lohnte. Außerdem wurde ein Elektroanschluss zur Kapelle gelegt, Leuchter in Kerzenform, elektrische Heizkörper angebracht, und der Boden mit neuen Platten ausgelegt. Ebenso wurde neue Kirchenbänke angeschafft und ein Volksaltar errichtet. Der Hochaltar sollte zu einem späteren Zeitpunkt renoviert werden. Freiwillige Helfer aus der Pfarrgemeinde schufen in wochenlanger, mühevoller Arbeit außerdem einen neuen Zugang zur Marienkapelle und legten den Platz vor der Kapelle mit Platten aus. Dazu musste erst ein Teil der alten Stadtmauer abgebrochen werden und ebenso auch viel Material in Handarbeit an Ort und Stelle verbracht werden. Die Marienkapelle war nun nicht mehr nur durch einen Trampelpfad durch den Pfarrgarten erreichbar. Doch bereits 1986 war die Kapelle erneut in einem schlechten Zustand, als bei Kanalarbeiten Schäden am Fundament festgestellt wurden. Ein alter Birnbaum hinter der Kapelle schädigte das Fundament ebenso. Nachdem man den Putz unter den kleinen Rissen abschlug, offenbarte sich in welchem erbärmlichen Zustand die kleine Kapelle war. Es waren Risse, da hätte man ein Kind reinstellen können, wie der damalige Pfarrer Michel schilderte. So mussten nun Meter um Meter neue Fundamente gesetzt werden. Außerdem brachte eine Spezialfirma Stahlstangen ein um das Gebäude zu stabilisieren. Dabei traf man auf unvorhergesehene Schwierigkeiten, so verkeilte sich das Bohrgestänge immer wieder im Mauerwerk bis es schließlich abbrach. Das Bohrgestänge befindet sich noch heute in der Kirchenmauer. Nun wurden zusätzliche Stahlklammern und Verankerungen angebracht. Erst ein Jahr später konnten die Arbeiten fertig gestellt werden, da die Bohrarbeiten zusätzlich das Mauerwerk stark durchfeuchtet hatte. Die Baukosten beliefen sich auf über 265 000 DM. Der Spendenfreudigkeit der Stadtsteinacher und freiwillige Leistungen machten es möglich, für die leere Nische über dem Eingang der Marienkapelle eine Marienstatue zu erwerben. Diese fertigte der Künstler Egon Ruggaber aus Coburg. Die Statue und die renovierte Kapelle wurden am Vorabend zum Fest Mariä Himmelfahrt mit einer Lichterprozession eingeweiht. 1989 wurde noch ein Schmiedeeisernes Tor am Eingang der Kapelle angebracht. Im Jahr 1990 beging man die 300 - Jahrfeier mit einer Lichterprozession am Vorabend des Festtages Mariä Aufnahme in den Himmel. Ausgestaltet wurde die Prozession vom Musikverein Stadtsteinach und der Männerschola. Ein besonderer Gast der aus Rom angereist war, ist Kardinal Simon D. Lourdusami gewesen, der seit 1956 engen Kontakt zur Pfarrei unterhielt.

Im Jahr 2015 blickt die altehrwürdige Marienkapelle in ihrer jetzigen Gestalt auf 325 Jahre, in denen sie nicht nur einmal vor dem Verfall stand, auf eine bewegte Geschichte zurück. Was wird sie wohl in den nächsten Jahrzehnten oder Jahrhunderten noch alles erleben. Besuchen sie die Kapelle in der an jedem Dienstag von Mai bis Anfang September um 18.30 Uhr der Rosenkranz gebetet wird, und sich um 19.00 Uhr der Gottesdienst anschließt. Der Höhepunkt im Kirchenjahr sind immer die Markusprozession am 25. April und die Lichterprozession am Vorabend zum Fest Mariä Himmelfahrt.

Text: Andreas Dremer